Sonntag, 22. Juni 2008
Schlägt die Kopie das Original auch am Mittwoch?
ascola, 17:37h
"Die Kopie ist besser als das Original" betitelt die SZ Online einen ihrer Artikel zum gestrigen Ausscheiden der niederländischen Fußballer, die nach zuvor grandiosen Vorrunden-Partien zum ersten Anwärter auf den diesmaligen EM-Titel aufgestiegen waren. Was bedeutet das aber gegen die kommende deutsche Halbfinal-Partie gegen die Türken, die noch in keinem Spiel bisher überzeugten, aber mit einer Kopie der 'deutschen' Tugenden am Ende stets siegten, so dass man versucht ist, den im Ausland gern gestöhnten und oft bewahrheiteten Ausruf: "Und am Ende gewinnen immer die Deutschen" umzuformulieren in: "Und am Ende gewinnen immer die Türken". Bedeutet es irgendetwas?
Es hat schon Ausmaße antiker Tragödie und auch Komödie, was derzeit in den Viertelfinals passiert. Da wurde in der ersten Hälfte der abgelaufenen Woche noch viel beschrieben, dass sich alle Gruppenersten angebliche unlautere Wettbewerbs-Vorteile verschafften, obwohl sie nur den von der Uefa zu verantwortenden Modus ausnutzten, indem sie in den für sie reihenweise bedeutungslos gewordenen dritten Vorrundenspielen nur noch ihre B-Mannschaften aufboten - und (mit Ausnahme der gastgeberfreundlich gesonnenen Portugiesen gegen die Schweiz) die Spiele gleichwohl gewannen, ohne es noch zu brauchen. Gleichzeitig mussten ihre späteren Viertelfinalgegner in einer Art Achtelfinalspiel, das es formal gar nicht gab, schwitzend und kämpfend mit der A-Mannschaft quasi bereits ein erstes K. O.-Spiel gegen die jeweils anderen Aspiranten auf die Gruppen-Zweiten-Plätze bestreiten, um dann nur ganze zwei Tage Regeneration zu haben vor ihrem sicher geglaubten Ausscheiden im Viertelfinale. Denn Portugal, Kroatien, die Niederlande und so auch heute Spanien hatten nicht nur den vermeintlichen Modus-Vorteil für sich, sondern bestritten ihre Vorrunden so souverän, dass ihr Weiterkommen ins Halbfinale reine Formsache zu sein schien.
Und was ist geschehen? Alle Gruppenersten schieden aus, und wenn Spanien nicht ganz schnell noch entscheidende Lehren aus den anderen Partien gezogen hat, so wird es ihnen heute gegen die Turnier-gestählten Italiener nicht anders ergehen, auch wenn sie - so viel haben wir gelernt an diesem Wochenende - mit noch so viel spielerischen Vorschuss-Lorbeeren in das Spiel am heutigen Abend gehen - das allein wird ihnen nicht helfen, denn in allen Viertelfinals unterlag der Favorit.
Ein Turnier ist ein Turnier ist eben immer noch ein Turnier. Alle Gruppenzweiten hatten ihre vielleicht heilsamen Niederlagen bereits zu Beginn bzw. inmitten der Vorrundenphase eingefahren - rechtzeitig genug, um daraus Schlüsse für ihr weiteres Auftreten zu ziehen und gestärkt in die 'Play Offs' einzuziehen. Zugute kam ihnen der Turnier-Rhythmus mit zwei Spielen pro Woche, der zwar Kräfte zehrend ist, aber die Türken, Russen und Deutschen im Tritt blieben ließ und ihnen weitere willkommene Gelegenheit bot, andere Spielformationen zu probieren, Erfahrungen zu machen, Konsequenzen zu ziehen und sie zu testen.
Die Niederländer sind das Paradebeispiel der erfolgreichen Vorrunden-Mannschaft, für die genau diese Erfahrung erst im Viertelfinale kommt und somit zu spät, denn es gibt kein weiteres Spiel mehr, die Fehler auszumerzen. Der unverbesserliche Günter Netzer hatte nach dem brillant heraus gespielten Sieg der Holländer gegen die dadurch ausgeschiedenen Franzosen zu Recht gesagt: er hätte gerne einmal gesehen, wie die Oranjes damit zurecht gekommen wären, wenn die Franzosen in Führung gegangen wären und sie somit überraschend ernsthaft gefordert hätten. So geschah ihnen dies erst gegen die unterschätzten Russen - und sie hatten genauso wenig eine Antwort darauf wie die Deutschen in ihrem Spiel gegen die Kroaten in gleicher Lage. Die Antwort konnte erst im nächsten Spiel erfolgen, allein, für die Oranjes gibt es nun kein solches mehr. Das ist die Tragik von van der Sar, Robben, Sneijder, van der Vaart, van Nistelrooy und wie sie alle heißen, die orangene Créme de la Créme des europäischen Fußballs. Geholfen hat es ihnen nichts, eine weitere glücklose Generation, von denen dieses Land im Überfluss produziert. Und wer war noch die andere in Turnieren stets glücklose, wenn auch zu Beginn hochgelobte Fußballnation? Spanien, eben.
Das Ergebnis dieser Turnier-Situation ist nun, dass mit der Türkei und den Deutschen im ersten Halbfinale erstmals Mannschaften aufeinander treffen, die ähnliche Erfahrungen im Turnier-Verlauf gemacht haben und daran gewachsen sind. Freilich haben die Deutschen gegen die Portugiesen ein begeisterndes Spiel wie aus dem Nichts heraus hin gelegt, was ihnen ausgerechnet von der englischen Presse beispielsweise "praise" in höchsten Tönen einbrachte (siehe z. B. die Times online), während die Türken gegen die Kroaten Sicherheits-Fußball präsentierten, um dann am Ende mit den deutschen Baharrlichkeits-Tugenden: zu kämpfen und niemals aufzugeben, an sich zu glauben und disziplinierte Elfmeter zu schießen, ein Spiel zum dritten Mal zu drehen. Der größere Wille siegte gegen das spielerisch bessere kroatische Team. Muss uns das nicht bekannt vorkommen?
Hatte die Süddeutsche nach dem Österreich-Spiel der Deutschen noch wohlmeinend gescherzt: Bitte weiterrumpeln!, so weist sie folgerichtig treffend auf gleiche Qualitäten auch bei unseren türkischen Mitbürgern ironisch hin und voraus: Glückliche Rümpelfüßballer. "Denn, merke: Wer rumpelt, der siegt" (so Johannes Aumüller in der SZ).
Nachdem die Deutschen zuletzt gegen die Österreicher erfolgreich rumpelten, erstanden sie danach wie Phönix aus der Asche auch fußballerisch gegen die Portugiesen neu. Nachdem sich die Türken nun standhaft durch ihre letzten drei Spiele zum Erfolg rumpelten, sollten die Deutschen nicht den portugiesischen Fehler machen, den sie im übrigen selbst gegen die Kroaten bereits hinter sich haben: Sie sollten die Türken niemals unterschätzen, denn diese könnten ebenso wie sie selbst als Kopie des Modells à la Russland contra Holland das Rumpeln plötzlich einstellen und ein Spiel hin legen, wie wir es von ihnen in diesem Turnier noch nicht gesehen haben. Ansätze dazu waren im Tschechien-Spiel der Türken sehr wohl bereits zu sehen. Fußball bleibt ein Spiel, das man auch im Kopf gewinnt.
Es hat schon Ausmaße antiker Tragödie und auch Komödie, was derzeit in den Viertelfinals passiert. Da wurde in der ersten Hälfte der abgelaufenen Woche noch viel beschrieben, dass sich alle Gruppenersten angebliche unlautere Wettbewerbs-Vorteile verschafften, obwohl sie nur den von der Uefa zu verantwortenden Modus ausnutzten, indem sie in den für sie reihenweise bedeutungslos gewordenen dritten Vorrundenspielen nur noch ihre B-Mannschaften aufboten - und (mit Ausnahme der gastgeberfreundlich gesonnenen Portugiesen gegen die Schweiz) die Spiele gleichwohl gewannen, ohne es noch zu brauchen. Gleichzeitig mussten ihre späteren Viertelfinalgegner in einer Art Achtelfinalspiel, das es formal gar nicht gab, schwitzend und kämpfend mit der A-Mannschaft quasi bereits ein erstes K. O.-Spiel gegen die jeweils anderen Aspiranten auf die Gruppen-Zweiten-Plätze bestreiten, um dann nur ganze zwei Tage Regeneration zu haben vor ihrem sicher geglaubten Ausscheiden im Viertelfinale. Denn Portugal, Kroatien, die Niederlande und so auch heute Spanien hatten nicht nur den vermeintlichen Modus-Vorteil für sich, sondern bestritten ihre Vorrunden so souverän, dass ihr Weiterkommen ins Halbfinale reine Formsache zu sein schien.
Und was ist geschehen? Alle Gruppenersten schieden aus, und wenn Spanien nicht ganz schnell noch entscheidende Lehren aus den anderen Partien gezogen hat, so wird es ihnen heute gegen die Turnier-gestählten Italiener nicht anders ergehen, auch wenn sie - so viel haben wir gelernt an diesem Wochenende - mit noch so viel spielerischen Vorschuss-Lorbeeren in das Spiel am heutigen Abend gehen - das allein wird ihnen nicht helfen, denn in allen Viertelfinals unterlag der Favorit.
Ein Turnier ist ein Turnier ist eben immer noch ein Turnier. Alle Gruppenzweiten hatten ihre vielleicht heilsamen Niederlagen bereits zu Beginn bzw. inmitten der Vorrundenphase eingefahren - rechtzeitig genug, um daraus Schlüsse für ihr weiteres Auftreten zu ziehen und gestärkt in die 'Play Offs' einzuziehen. Zugute kam ihnen der Turnier-Rhythmus mit zwei Spielen pro Woche, der zwar Kräfte zehrend ist, aber die Türken, Russen und Deutschen im Tritt blieben ließ und ihnen weitere willkommene Gelegenheit bot, andere Spielformationen zu probieren, Erfahrungen zu machen, Konsequenzen zu ziehen und sie zu testen.
Die Niederländer sind das Paradebeispiel der erfolgreichen Vorrunden-Mannschaft, für die genau diese Erfahrung erst im Viertelfinale kommt und somit zu spät, denn es gibt kein weiteres Spiel mehr, die Fehler auszumerzen. Der unverbesserliche Günter Netzer hatte nach dem brillant heraus gespielten Sieg der Holländer gegen die dadurch ausgeschiedenen Franzosen zu Recht gesagt: er hätte gerne einmal gesehen, wie die Oranjes damit zurecht gekommen wären, wenn die Franzosen in Führung gegangen wären und sie somit überraschend ernsthaft gefordert hätten. So geschah ihnen dies erst gegen die unterschätzten Russen - und sie hatten genauso wenig eine Antwort darauf wie die Deutschen in ihrem Spiel gegen die Kroaten in gleicher Lage. Die Antwort konnte erst im nächsten Spiel erfolgen, allein, für die Oranjes gibt es nun kein solches mehr. Das ist die Tragik von van der Sar, Robben, Sneijder, van der Vaart, van Nistelrooy und wie sie alle heißen, die orangene Créme de la Créme des europäischen Fußballs. Geholfen hat es ihnen nichts, eine weitere glücklose Generation, von denen dieses Land im Überfluss produziert. Und wer war noch die andere in Turnieren stets glücklose, wenn auch zu Beginn hochgelobte Fußballnation? Spanien, eben.
Das Ergebnis dieser Turnier-Situation ist nun, dass mit der Türkei und den Deutschen im ersten Halbfinale erstmals Mannschaften aufeinander treffen, die ähnliche Erfahrungen im Turnier-Verlauf gemacht haben und daran gewachsen sind. Freilich haben die Deutschen gegen die Portugiesen ein begeisterndes Spiel wie aus dem Nichts heraus hin gelegt, was ihnen ausgerechnet von der englischen Presse beispielsweise "praise" in höchsten Tönen einbrachte (siehe z. B. die Times online), während die Türken gegen die Kroaten Sicherheits-Fußball präsentierten, um dann am Ende mit den deutschen Baharrlichkeits-Tugenden: zu kämpfen und niemals aufzugeben, an sich zu glauben und disziplinierte Elfmeter zu schießen, ein Spiel zum dritten Mal zu drehen. Der größere Wille siegte gegen das spielerisch bessere kroatische Team. Muss uns das nicht bekannt vorkommen?
Hatte die Süddeutsche nach dem Österreich-Spiel der Deutschen noch wohlmeinend gescherzt: Bitte weiterrumpeln!, so weist sie folgerichtig treffend auf gleiche Qualitäten auch bei unseren türkischen Mitbürgern ironisch hin und voraus: Glückliche Rümpelfüßballer. "Denn, merke: Wer rumpelt, der siegt" (so Johannes Aumüller in der SZ).
Nachdem die Deutschen zuletzt gegen die Österreicher erfolgreich rumpelten, erstanden sie danach wie Phönix aus der Asche auch fußballerisch gegen die Portugiesen neu. Nachdem sich die Türken nun standhaft durch ihre letzten drei Spiele zum Erfolg rumpelten, sollten die Deutschen nicht den portugiesischen Fehler machen, den sie im übrigen selbst gegen die Kroaten bereits hinter sich haben: Sie sollten die Türken niemals unterschätzen, denn diese könnten ebenso wie sie selbst als Kopie des Modells à la Russland contra Holland das Rumpeln plötzlich einstellen und ein Spiel hin legen, wie wir es von ihnen in diesem Turnier noch nicht gesehen haben. Ansätze dazu waren im Tschechien-Spiel der Türken sehr wohl bereits zu sehen. Fußball bleibt ein Spiel, das man auch im Kopf gewinnt.
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